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Anabasis - sie müssen allein umkehren
von Paolo Marinotti

Rom, 28. Oktober 1964

Diese Gruppe ist eine Gruppe. eine wirkliche Gruppe, die die Zeit respektiert, aber nichts ausborgt.Eine Gruppe, die Gruppierungen verabscheut; eine Gruppe, die ein Würgen im Hals hat, so sehr freut sie sich und pfeift sie auf die Anderen. Eine Gruppe, die lacht, die formt. Eine Gruppe, die entstand als die Gruppen tot waren. (Delirium der sprachlichen Neubildung und Phrasendrescherei einer Jahrtausende alten Wirklichkeit)!! Eine Gruppe, die aus einer Gruppe entstanden ist, ohne sie zu wiederholen, sondern die sie bekräftigte, wie es sich gehört » für Entwicklungen, die man respektieren kann und für rechtschaffene Leute. Eine Gruppe, die sich zusammentat, um eine individuelle Enge zu bilden, die entschlossen ist, eine Gesamtheit von Gesichtern auszudrücken, jeder mit dem eigenen, ohne Verstellungen, ohne Tarnungen oder Unterschlagungen. Eine Gruppe, die sich entschloss, als die Unentschlossenheit eines noch barbarischeren Schicksals als die der offiziellen Gegenbarbarei das Pulver eines bereits erloschenen Pulverhauses in Brand setzte, das Leben. Aber das Leben existierte in der Gruppe Spur wie es in demselben Deutschland existierte, das ohne Unterschied der Ideale und Generationen unterzugehen wusste. Nur so kann man ein Volk teilen, indem man es in zwei Teile schneidet wie ein zu lebhaftes Kind, das zu Hause stört. Dieselbe Gewalt wird zur Liebe für denjenigen, der an die Symbole einer Wirklichkeit glaubt, die keine hat. Die verborgenen Symbole eines menschlichen Ideals, das unverkäuflich ist, verleiten aufgrund eines moralischen Alibis ein Volk zur Vernichtung. Eine Gruppe, die keine Fahne, sondern eine Spur hat. Eine Gruppe, die in der Furche pflügt, die gezeichnet ist vom Schmerz, der nicht verleugnet wird und der weder Leugnung noch Mitleid noch Nachsicht wird; sondern, die auf die Felder zur Arbeit zurückkehrt, zum trinken zurückkommt, die fröhlich in Bauernhof und Stadt einzieht, alles ganz ernsthaft, da sie weiß, dass sie etwas Wichtiges tut, das ihr gefällt und dass ein Danach kommen wird. Eine Gruppe konkreter Rebellen, die einer freien, aber präzisen Disziplin huldigen, bei der es weder Furcht noch menschlichen Respekt, ernsthaft zu sein, gibt, sondern nur die Scham, nicht echt zu sein – Geschwätz beiseite! Jeder als Beispiel von etwas was man will und was sein kann oder nicht sein kann. Sich in der Stille erproben. Eine Gruppe ungleicher Geister, Gott weiß, warum sie zusammen sind, aber Gott weiß warum, gerade weil sie sich selbst brauchen, sie fragen weder nach Gnade, noch nach Bittgesängen, noch nach Kritik. Sie fragen, was es zu tun gibt. Und das Werk ist ihre Kritik. Die Kritik macht Angst; die Kunstkritik, die manchmal für gewisse Künstler wie Balsam wirkt und die manch anderes Mal ihr Ende bedeutet. aber Kunstkritiker, die interessant sein können, wiederholen sich, langweilen, fallen ab, sobald sie eine Gruppe bilden. Sie interessieren nicht mehr. Für die Kunstkritiker ist der Künstler wie der Laienbruder, dem sich das Seminar anbietet: man braucht ihm nur die Tonsur zu schneiden. Das geld, um die Kirche zu bauen, findet sich immer. Sie, die Spur, hat abseits gelebt, mit ihren Träumen, mit ihren Einfällen und Ideen, mit ihrer Lust, wirkliche Tiere im Dschungel von Tigern zu sein, inmitten eines Paradiesgartens, der Erneuerer satt hat, die nicht gerade heilig sind, deren schwülstige Beurteilungen die Auffahrt zum Himmel diktieren. Diese Spur ist wie eine Jungfrau; sie mag den Kinderchor nicht, der Freudenanträge psalmodiert: sie sucht den Geliebten, der ungestüm und unvernünftig, wohlerzogen und unvorsichtig ist, undenkbar wie

sie und nicht nur zufällig! Ihre Reinheit ist unbezahlbar, sie will auf keiner Marktrangliste stehen; und deshalb kennt sie keinen Preis. Diese Gruppe begann sich selbst zu kaufen, als keiner kaufte. Langsam, örtlich begrenzt. Sie stieg empor, neben dem Penis Asger Jorns- schön, kräftig und robust - wie es sich für Erzeuger von Klimas ziemt, ohne Aufwand und Spektakel, methodisch: ein Bauer, ein Professor, ein angry-young-man, ein Notar. Alle aus guter Familie, alle dazu bereit, sich selbst zu riskieren - wie es sich gehört. Eine Frage der Erziehung. Revolutionen sind immer ein Phänomen des guten Glaubens, dass nach Erreichung des Zielbandes nur Langeweile herrscht, dann aber, wenn man — längst schon anderswo ist, die Bourgeoisie noch immer am Band zieht. Zielbänder werden im Laufen durchschnitten. Minister hingegen durchschneiden das band im Stehen, mit der Schere. Ein Bub lässt von oben ein kleines Papierflugzeug über ihre Köpfe fliegen und lacht sie aus.

Kunst - Kunst

Gruppe - Gruppe - einer für alle; alle für einen.

Jeder bei sich zu Hause.

Eine Gruppe, die sagte: “Bau-Bau...haus!” Eine Gruppe bau-baut viele Häuser, die sie endlich so konstruieren würde‚ wie es sich gehört, auch mit Heizung und mit Örtchen‚ wie sie sich mein Großvater erträumte; diese Spur, sie lebe hoch!‚ weil sie praktisch ist, quasi traditionell. Mit einem Hauch Romantik‚ was tut's! Der Klassiker geht nicht um, oh Schafsköpfe! Ich übergebe die Feder jetzt der offiziellen Kritik: es ist eine ganz frische Nachricht: Eins + Eins + Eins + Eins = Spur

Es war einmal, im Jahre 1963, ein Centro Internazionale Delle Arti e Del Costume (so hieß es), das seinen Sitz im Palazzo Grassi in Venedig hatte und sich in den Kopf gesetzt hatte, keine Neonreklame zu machen, die ja so sehr lästig für die Augen ist‚‘... und sagte: “kommt hierher, oh Gruppe, und macht mal etwas, was euch gefällt und was schön ist. Legt euch selbst die Spur und malt was ihr wollt. Ihr habt hier einen Raum, ja sogar eine schöne lange Galerie, macht was ihr wollt. ihr habt freie Hand”. Und so nahmen diese Vier der Gruppe alle Wände der Galerie, die ihnen zur Verfügung standen, in Angriff, und wer wollte konnte ihnen helfen, er brauchte nur zu malen; und sie ließen sich keine Ruhe, bis irgendjemand sagte: “jetzt ist es genug, basta, gehen wir essen”. Es war wirklich eine Gruppenarbeit. Keiner hatte eine Mitgliedskarte. Eine Gruppe, die keine Fahne, sondern eine Spur hat. Eine Gruppe, die nicht sagt: “Ich bin eine Gruppe” sondern die es getrost ist. (...)